Leitsätze
Die VwGO lässt die Beschränkung der Berufung auf das Disziplinarmaß in Disziplinarklageverfahren nicht zu.
Bei außerdienstlichen Steuerhinterziehungen kommt bei einem Hinterziehungsbetrag in siebenstelliger Höhe die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht.
Auch bei enormer Höhe des Hinterziehungsbetrags kann die höchste Disziplinarmaßnahme nicht verhängt werden, wenn der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung (Selbstanzeige aus freien Stücken) eingreift.
Dies gilt bei einer Selbstanzeige aus Furcht vor Entdeckung nur dann, wenn weitere mildernde Umstände von erheblichem Gewicht hinzutreten.
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Tatbestand
1 Der Beklagte war seit April 1975 zunächst im Beamtenverhältnis auf Probe Leiter des Rechenzentrums der … Universität (früher Gesamthochschule) W. Im August 1978 berief ihn das klagende Land in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit; im November 1982 wurde der Beklagte zum Regierungsdirektor (Besoldungsgruppe A 16) der Laufbahn „Dienst in der Datenverarbeitung“ ernannt. Mit Ablauf des Mai 2003 trat er aus Altersgründen in den Ruhestand.
2 Der Beklagte gab in den Steuererklärungen für die Jahre 1991 bis 2000, die er auch für seine Ehefrau erstellte, bewusst nicht an, dass diese 1990 von ihrem Vater ein unversteuertes Barvermögen in Höhe von etwa 5,4 Millionen DM geerbt hatte. Weiterhin verschwieg er unversteuerte Vermögenswerte in Höhe von etwa 410 000 DM, die er teils geerbt, teils durch eine Tätigkeit im Ausland verdient hatte.
3 Einen auf Initiative des Finanzamts vereinbarten Besprechungstermin am 27. November 2002 nahmen die Eheleute nicht wahr. Mit Schreiben ihres Steuerberaters vom 28. November 2002 zeigten sie die Steuerhinterziehungen dem Finanzamt an. Im September 2003 setzte das Finanzamt Einkommenssteuern, Solidaritätszuschläge und Vermögenssteuern für die Jahre 1991 bis 2000 neu fest, woraus sich ein Steuerhinterziehungsbetrag von insgesamt rund 1 233 320 € ergab. Nachdem die Eheleute die Steuernachforderungen nebst Zinsen und Zuschlägen von rund 500 000 € innerhalb der ihnen gesetzten Frist beglichen hatten, stellte das Finanzamt das nach der Selbstanzeige eingeleitete Ermittlungsverfahren am 27. Oktober 2004 ein.
4 Das klagende Land hat im Februar 2006 wegen der Steuerhinterziehungen ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten eingeleitet und im Januar 2007 Disziplinarklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Das Oberverwaltungsgericht hat die auf das Disziplinarmaß beschränkte Berufung zurückgewiesen. In dem Berufungsurteil heißt es:
5 Aufgrund der Beschränkung der Berufung stehe bindend fest, dass die Steuerhinterziehungen ein Dienstvergehen darstellten. Im Berufungsverfahren gehe es nur noch um die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme. Das Verwaltungsgericht habe dem Beklagten zu Recht das Ruhegehalt aberkannt, weil dieser als Beamter untragbar geworden sei. Steuerhinterziehungen stellten gravierende außerdienstliche Pflichtenverstöße dar. Im Falle des Beklagten komme der exorbitanten Größenordnung des Hinterziehungsbetrags entscheidendes Gewicht zu. Auch habe der Beklagte sein Fehlverhalten zehn Jahre lang fortgesetzt. Ihn könne weder entlasten, dass die Steuerpflicht größtenteils das Vermögen seiner Ehefrau betroffen habe, noch dass er bei pflichtgemäßem Verhalten die Steuerhinterziehungen seines verstorbenen Schwiegervaters hätte offenlegen müssen.
6 Auch die Selbstanzeige des Beklagten sei trotz der dadurch erwirkten Straffreiheit nicht geeignet, um von der Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen. Eine derartige Selbstanzeige stelle einen mildernden Umstand von erheblichem Gewicht dar, wenn sie der Beamte aus freien Stücken und nicht aus Furcht vor Entdeckung abgegeben habe. Selbst dann könne sie jedoch eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht rechtfertigen, wenn die Steuerhinterziehung wie im vorliegenden Fall durch einen extrem hohen Hinterziehungsbetrag geprägt sei. Daher könne dahingestellt bleiben, ob die Selbstanzeige des Beklagten trotz des vereinbarten Besprechungstermins im Finanzamt noch als freiwillig angesehen werden könne.
7 Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er die Verletzung materiellen Disziplinarrechts rügt. Er macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe das Gewicht der strafbefreienden Selbstanzeige verkannt.
8 Der Beklagte beantragt, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. September 2009 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. Juni 2008 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen.
9 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
10 Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil. Das Oberverwaltungsgericht habe alle bemessungsrelevanten Gesichtspunkte erkannt und nachvollziehbar gewürdigt.
Entscheidungsgründe
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