1. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO sind nicht erfüllt, wenn der Steuerberater bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung den Gewinn leichtfertig fehlerhaft ermittelt, da der Steuerberater mangels eigener Angaben gegenüber dem Finanzamt nicht Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist.
2. Der Steuerpflichtige darf im Regelfall darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereitet, wenn er diesem die für die Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Informationen vollständig verschafft hat. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die vom Steuerberater vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen.
3. Dem Steuerpflichtigen kann das leichtfertige Handeln des Steuerberaters weder nach straf- oder bußgeldrechtlichen noch nach steuerrechtlichen Grundsätzen zugerechnet werden.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1996 trotz Ablaufs der regulären Festsetzungsfrist noch zulässig war.
2 Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr aus seiner Tätigkeit als Arzt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Den Gewinn ermittelte er durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes. Im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit war er an einer Laborgemeinschaft beteiligt. Für diese wurde eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen durchgeführt. Die Laborgemeinschaft bescheinigte dem Kläger für das Streitjahr 1996 einen Verlust aus seiner Beteiligung in Höhe von 12.451 DM. Die Laborgemeinschaft wies auf der Bescheinigung darauf hin, dass der Verlust in der Steuererklärung in der Anlage GSE einzutragen sei, alle Zahlungen an die Laborgemeinschaft erfolgsneutrale Zahlungen darstellten und das Schreiben an den Steuerberater weiterzuleiten sei.
3 Die Kläger machten in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1996 den Verlust aus der Beteiligung an der Laborgemeinschaft in Höhe von 12.451 DM in der Anlage GSE steuerlich geltend. Zudem wurde dieser Betrag in der Gewinnermittlung des Klägers als Betriebsausgabe bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit berücksichtigt. Die Gewinnermittlung stammte von einem Steuerberater und dessen Steuerfachangestellter, die auch die Steuererklärung vorbereiteten.
4 Die Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1996 ging bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) im Mai 1998 ein, der die Einkommensteuer erklärungsgemäß festsetzte.
5 Das FA führte bei dem Kläger für die Jahre 1998 bis 2000 eine Außenprüfung durch. Am wurde die laufende Prüfung auf die Jahre 1996 und 1997 erweitert. Der Prüfer stellte fest, dass die Laborzahlungen des Klägers in den Jahren 1996 bis 1999 doppelt steuermindernd berücksichtigt worden waren. Das FA folgte den Feststellungen des Prüfungsberichts und erließ für das Streitjahr 1996 am einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid.
6 Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht (FG) die Klage mit Urteil vom 3 K 160/07 ab.
7 Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der diese die Verletzung von § 169 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO und §§ 370, 378 AO rügen. Entgegen der Auffassung des FG, das sich auf das (BFHE 200, 495, BStBl II 2003, 385) stütze, könne ein Steuerberater nicht Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 1 AO sein, da diese nach dem Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nur begehe, wer selbst eine unrichtige Erklärung abgebe.
8 Die Kläger beantragen,
das Urteil des und den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1996 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
9 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
10 Nach der Rechtsprechung des BFH könne Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung i.S. des § 378 AO auch derjenige sein, der die Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen wahrnehme. Da vom Steuerpflichtigen eine Erklärung mit wahrem Inhalt erwartet werde, sei der steuerliche Berater bezüglich des Inhalts der Erklärung Erfüllungsgehilfe des Steuerpflichtigen. Je weiter der Steuerpflichtige Pflichten auf den Berater übertrage und sich dadurch entlaste, desto mehr wachse die Verantwortlichkeit des Beraters. Die bei der Erstellung der Steuererklärung notwendige Aufgabenteilung zwischen Steuerpflichtigem und Berater könne nicht dazu führen, dass die Festsetzungsfrist bei objektiv unrichtigen Angaben wie üblich ablaufe. Denn in diesem Fall erhöhe sich der Ermittlungsaufwand der Finanzbehörden. Steuerrechtlich habe der Steuerpflichtige die objektiv unrichtigen Angaben zu verantworten, selbst wenn ihn daran kein eigenes Verschulden treffe. Dies ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des BFH zu § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.
Entscheidungsgründe
[...]
BFH, Urteil vom 29. Oktober 2013, VII R 27/10