Leitsatz
Unterlässt es das Hauptzollamt trotz eines mit der Einspruchsbegründung gestellten Antrags nach § 364 AO, einem Steuerschuldner die Besteuerungsunterlagen mitzuteilen, kann dies bereits die Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheides rechtfertigen.
Tatbestand
1 Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Kaffeesteuerbescheides.
2 Im ... 2006 gründete der Antragsteller gemeinsam mit seiner Ehefrau die Firma A mit Sitz in den Niederlanden, die dort in das Handelsregister eingetragen wurde. Inhaberin der Firma war die Ehefrau des Antragstellers. Diese Firma vertrieb über ihren Internetshop (der Antragsteller war Inhaber der Domain ...) sowie das Auktionshaus ... zwischen dem 04.05.2006 und dem 03.03.2009 unversteuerten Kaffee aus den Niederlanden an Kunden in Deutschland. Von Deutschland aus leiteten der Antragsteller und seine Ehefrau eingehende Bestellungen an den Kaffeeröster B in den Niederlanden weiter und kümmerten sich um die Geschäftsabwicklung. Der Versand des Kaffees erfolgte durch den Kaffeeröster B. In den Niederlanden fand keinerlei Geschäftstätigkeit statt, dort eingehende Telefongespräche wurden von einer im gleichen Haus ansässigen Immobilienfirma angenommen, ein Mitarbeiter des Kaffeerösters holte dorthin zurückgesandte Pakete ab. Die Käufer zahlten den Kaufpreis für den Kaffee jeweils auf ein Konto bei einer deutschen Bank, der Antragsteller und seine Ehefrau leiteten die eingehenden Zahlungen über ein niederländisches Konto an den Kaffeeröster B weiter. Die Einzelheiten des Sachverhalts ergeben sich aus dem Schlussbericht des Zollfahndungsamts C vom 12.10.2010, auf den ergänzend Bezug genommen wird.
3 Mit Bescheid vom 05.09.2011 setzte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller Kaffeesteuer in Höhe von 165.266,16 € fest. Die Kaffeesteuer sei gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 bzw. § 11 Abs. 2 S. 1 KaffeeStG entstanden. Der Antragsteller sei Steuerschuldner geworden, weil er den Kaffee erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken verwandt habe. Ein Versandhandel liege nicht vor, weil der Antragsteller seinen Sitz im Steuergebiet gehabt habe.
4 Am 04.10.2011 legte der Antragsteller gegen den Bescheid vom 05.09.2011 Einspruch ein, beantragte die Aussetzung der Vollziehung und beantragte die Mitteilung der Besteuerungsunterlagen gem. § 364 AO. Darin beruft er sich auf Festsetzungsverjährung, da die Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 1 AO ein Jahr ab Entstehung der Steuer betrage. Eine vorsätzliche Steuerhinterziehung, die die Festsetzungsfrist auf 10 Jahre verlängere, liege nicht vor. Die Vollziehung des Bescheides bedeute zudem eine unbillige Härte. 1996 habe er eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Gemeinsam mit seiner Ehefrau verdiene er monatlich ca. 1.200 €, wovon beide 350 € Kaltmiete und 80 € Stromkosten aufbringen müssten. Eine Vollstreckung würde ihren wirtschaftlichen Ruin herbeiführen.
5 Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 18.11.2011 ab. Der Antragsteller habe gemeinsam mit seiner Ehefrau von seinem Wohnsitz in Deutschland die Kaffeeverkäufe abgewickelt. Am Firmensitz in den Niederlanden habe keine geschäftliche Tätigkeit stattgefunden. Der Zahlungsverkehr sei vornehmlich über deutsche Bankkonten abgewickelt worden, über die der Antragsteller und seine Ehefrau verfügungsberechtigt gewesen seien. Insgesamt seien 75.464 kg Kaffee verkauft worden. Ein Versandhandel nach § 12 KaffeeStG liege nicht vor, da der Antragsteller den Kaffee nicht aus einem anderen Mitgliedstaat an nichtgewerbliche Verwender im Steuergebiet geliefert habe. Sämtliche geschäftlichen Tätigkeiten seien am Wohnsitz in Deutschland durchgeführt worden. Vielmehr sei die Kaffeesteuer nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 S. 1 KaffeeStG entstanden. Da der Antragsteller den Kaffee besessen oder verwendet habe, sei er Steuerschuldner i. S. v. § 11 Abs. 2 KaffeeStG geworden. Die Festsetzungsfrist betrage gem. § 169 Abs. 2 S. 2 AO 10 Jahre, da die Steuern hinterzogen worden seien. Zumindest liege eine leichtfertige Steuerverkürzung i. S. v. § 378 Abs. 1 AO vor. Er habe in den Niederlanden eine Scheinfirma gegründet, um unter den Tatbestand des Versandhandels nach § 12 KaffeeStG zu fallen. Dass er damit eine gesetzliche Regel umgehe, habe ihm bewusst sein müssen. Eine unbillige Härte liege nicht vor. Der Antragsteller habe bislang keinen Stundungsantrag gestellt, angesichts der geringen Erfolgsaussichten gebe es keine Rechtfertigung für die Aussetzung der Vollziehung.
6 Am 09.01.2012 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Er bezieht sich auf die Begründung seines Aussetzungsantrags und betont, es sei ihm nicht darum gegangen, von ihm angeblich geschuldete Steuern nicht anzugeben und abzuführen. Auf seiner Homepage habe er darauf hingewiesen, dass Steuerschuldner der Kaffeesteuer in Deutschland der Endverbraucher sei, daher sei die Kaffeesteuer nicht in den Verkaufspreis eingeflossen. Dagegen, dass er bewusst die Hinterziehung von Steuern in Kauf genommen habe, spreche auch, dass sein Sohn in einem anderen Fall vom Hauptzollamt D als Kaffeesteuerschuldner in Anspruch genommen werde, weil er als Endverbraucher über einen Internetversand in den Niederlanden Kaffee bezogen habe. Er sei daher davon ausgegangen, dass bei einem Versand übers Internet der Endverbraucher und nicht der Händler Steuerschuldner sei. Zudem sei der Steuerbescheid rechtswidrig, weil ihm trotz entsprechender Beantragung bislang die Besteuerungsunterlagen gemäß § 364 AO und sämtliche Beweismittel, Beweisergebnisse etc. nicht zugänglich gemacht worden seien. Dies verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Die Berechnungen des Antragsgegners seien nicht nachvollziehbar.
7 Der Antragsteller beantragt,
8 die Vollziehung des Bescheides vom 05.09.2011 auszusetzen.
9 Der Antragsgegner beantragt,
11 Er trägt ergänzend vor, bei einem Versandhandel nach § 12 KaffeeStG werde Steuerschuldner der Empfänger des Kaffees, also der Endverbraucher, wie z. B. der Sohn des Antragstellers in dem von ihm beschriebenen Fall. Im Streitfall habe jedoch kein Versandhandel vorgelegen. Dass der Antragsteller die Mitteilung der Besteuerungsunterlagen beantragt habe, sei zutreffend, diese seien jedoch dem Steuerbescheid zu entnehmen gewesen. Zudem habe der Antragsteller im Steuerstrafverfahren Akteneinsicht beantragt und erhalten und damit sämtliche auch im Besteuerungsverfahren erheblichen Unterlagen zur Kenntnis bekommen.
12 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Antragsgegners Bezug genommen.
Entscheidungsgründe