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Zur Verfassungsmäßigkeit der 10-jährigen Verjährungsfrist des § 376 Abs. 1 AO

Verjährung SteuerhinterziehungIn den besonders schweren Fällen des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 - 5 der Abgabenordnung (AO), z.B. bei einer Steuerhinterziehung in großem Ausmaß, beträgt die Verjährungsfrist seit dem 25.12.2008 zehn Jahre, § 376 Abs. 1 AO. An der Verfassungsmäßigkeit dieser verlängerten Verjährungsregelung bestehen Bedenken.

Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 AO und deren Verjährung

In folgenden Fälle geht der Gesetzgeber von einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung aus, der zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren führt. Der Täter hat

  1. in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
  2. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht,
  3. die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
  4. unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, oder
  5. als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt.

Die Verjährung beträgt in diesen Fällen zehn Jahre.

Ordnet man § 370 Abs. 3 Nr. 1-5 systematisch ein, handelt es sich um ein sogenanntes Regelbeispiel. Dies hat für die Praxis die erhebliche Bedeutung, dass die Fälle die in Abs. 3 aufgelistet sind keines Wegs abschließend oder zwingend sind. Vielmehr geht von den dort beschrieben Fällen eine gewisse Indizwirkung aus, anhand derer die Strafzumessung vorgenommen wird.

Verfassungsmäßigkeit des § 376 Abs. 1 AO

Verfassungsrechtlich stehen nun der längeren Verjährungsfristen des § 370 Abs. 3 AO Gleichheitserwägungen des Art. 3 I GG entgegen. Denn hier stellt sich zum einen die Frage, in wie fern die Ungleichbehandlung zu der einfachen Steuerhinterziehung gerechtfertigt werden kann und zum anderen kann der Fall eintreten, dass wie bereits gesagt, eine Konstellation gegeben ist, in der der Täter keinen der in § 370 Abs. 3 Nr.1-5 aufgelisteten Fällen verwirklicht, jedoch auf Grund besonderer Umstände die Verurteilung als angemessen erscheint.

Die Verjährungsregelung des § 376 Abs. 1  AO verweist nun jedoch nur auf die  "in den in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 genannten Fälle". Damit wird die verlängerte Verjährung auf konkret benannte Fälle beschränkt. Vor dem Hintergrund der strafrechtlich sehr restriktiven Auslegungsvorgaben, welche  einer strengen Wortlautgrenze unterliegen, könnte angenommen werden, dass bei Vorliegen eines unbenannten Falls, die 10-jährige Verhährungsfrist nicht gilt. Dies kann allerdings kaum gerechtfertigt werden.

Darüber hinaus bedeutet die verlängerte Verjährungsfrist einen Bruch mit der sonst gängigen Parallelität der Strafmaßorientierung zu anderen Straftaten wie dem Betrug und der Untreue (vgl. auch Wegner, PSR 09, 33 ff.).

Rückwirkungsverbot

Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Rückwirkung bestehen nicht. Das Rückwirkungsverbot betrifft nämlich nicht diejenigen Vorschriften, die ausschließlich die Verfolgungsvoraussetzungen betreffen oder sich als verfahrensrechtliche Vorschriften darstellen (vgl. Wenzler, § 376 AO Rn. 6).

 

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