Leitsätze
1. Die Strafverfolgungsbehörde darf zur Sicherstellung dienstrechtlicher Maßnahmen gegen einen Beamten dem Steuergeheimnis unterliegende, in einem Strafverfahren gegen diesen gewonnene Erkenntnisse dem Dienstvorgesetzten des Beamten im Rahmen des § 125c BRRG offenbaren, ohne eine vorweggenommene Prüfung der disziplinarrechtlichen Behandlung des Falles vornehmen zu müssen; erforderlich ist lediglich, dass die übermittelten Daten für eine solche disziplinarrechtliche Prüfung des Dienstherrn des Beamten von Belang sein können.
2. Eine Information des Dienstvorgesetzten über das Verfahren ist ungeachtet dessen zulässig, ob das Ermittlungsverfahren gegen den Beamten wegen Verfolgungsverjährung oder einer strafbefreienden Selbstanzeige eingestellt worden ist.
Tatbestand
1 I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist als Beamtin in der Bundesfinanzverwaltung beschäftigt. Seit 1997 betätigt sie sich daneben freiberuflich; sie hat daraus Einkünfte erzielt, die sie in ihren Einkommensteuererklärungen nur teilweise angegeben hat. Als das für die Besteuerung der Antragstellerin zuständige Finanzamt wegen dieser Nebeneinkünfte Anfragen an die Antragstellerin richtete, erklärte diese die bisher nicht angegebenen Nebeneinkünfte nach.
2 Das wegen dieses Vorganges vom Veranlagungsfinanzamt eingeleitete, dann zuständigkeitshalber vom Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) geführte Strafverfahren ist hinsichtlich der Jahre 1997 bis 2000 wegen Strafverfolgungsverjährung und für die Jahre 2001 bis 2004 auf Grund der von der Antragstellerin abgegebenen Selbstanzeige (§ 371 der Abgabenordnung --AO--) eingestellt worden, nachdem die Antragstellerin die noch offene Einkommensteuer getilgt hatte.
3 Das FA beabsichtigt jedoch, dem Dienstvorgesetzten der Antragstellerin Mitteilung über den Vorgang zu machen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Finanzgericht (FG) hat auf Grund dieses Antrags dem FA einstweilen untersagt, dem Dienstvorgesetzten der Antragstellerin Mitteilung über die im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse zu machen. Die Gründe dieser Entscheidung sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1711 veröffentlicht worden.
4 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde des FA, zu deren Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wird:
5 § 125c des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) sei entgegen der Ansicht des FG nicht zu entnehmen, dass Mitteilungen über wegen Strafverfolgungsverjährung eingestellte Verfahren nicht ergehen dürften. Im Übrigen habe das Veranlagungsfinanzamt das Strafverfahren zu Recht eingeleitet und dessen Einstellung dem nach der Zuständigkeitsverordnung dafür zuständigen FA überlassen müssen. Es komme auch nicht darauf an, ob die Antragstellerin strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten und deshalb das Verfahren eingestellt worden sei; denn dies lasse nicht die Voraussetzungen für die Einleitung eines Strafverfahrens entfallen, sondern stelle lediglich einen persönlichen Strafaufhebungsgrund dar. Demnach könnten auch die Verfehlungen der Antragstellerin hinsichtlich der Jahre 2003 und 2004 mitgeteilt werden, sodass nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens die disziplinarrechtliche Verjährung erst im Jahre 2005 zu laufen begonnen habe, wobei gemäß § 15 Abs. 5 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) der Eintritt eines Disziplinarmaßnahmeverbots auf Grund des eingeleiteten Strafverfahrens gehemmt gewesen sei.
6 Die Beschwerde wendet sich ferner gegen die Auffassung des FG, das FA hätte selbst prüfen müssen, ob die Kenntnis des Dienstvorgesetzten von den mitzuteilenden Erkenntnissen für disziplinarische Zwecke erforderlich sei. Es sei Zweck des Disziplinarverfahrens, beim Vorliegen von Pflichtverletzungen den Verdacht eines Dienstvergehens zu prüfen. Dafür sei Kenntnis des Disziplinarrechts und der dazu ergangenen Rechtsprechung ebenso wie eine solche des betroffenen Beamten, seines bisherigen Verhaltens, seiner dienstlichen Aufgaben und dergleichen erforderlich. Diese Prüfung könne das FA nicht vorwegnehmen. Nur im Falle des § 125c Abs. 4 BRRG sei daher durch die übermittelnde Stelle neben der Feststellung der dienstrechtlichen Relevanz der betreffenden Erkenntnisse eine Abwägung mit dem Steuergeheimnis und eine damit einhergehende dienstrechtliche Würdigung erforderlich.
7 Im Übrigen sei das FA an die einschlägigen Ausführungen im Anwendungserlass zur AO und in der vom FG selbst zitierten Ermessensleitlinie des Bundesministeriums der Finanzen gebunden gewesen. Ob eine Hinterziehung von weniger als 2 500 EUR Steuern pro Veranlagungszeitraum zur Degradierung oder Entfernung aus dem Dienst führe, sei danach belanglos.
8 Das FG habe schließlich auch das Ausmaß des von der Antragstellerin angerichteten steuerlichen Schadens verkannt. Die Schätzung der hinterzogenen Steuern verstoße gegen die Denkgesetze. Die Antragstellerin selbst habe für die Veranlagungszeiträume ... hinterzogene Steuern nacherklärt; für ... habe das FG daher ebenfalls auf der Grundlage eines Durchschnittswerts von ... pro Veranlagungszeitraum von einem Gesamtbetrag von ... und nicht nur von ... ausgehen müssen. 9 Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten und verteidigt den Beschluss des FG.
Entscheidungsgründe
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BFH, Beschl. v. 15.01.2008, VII B 149/07