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BFH: "in dubio pro reo" gilt auch im Steuerverfahren, VIII R 81/04

Leitsatz

Die subjektiven und objektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2, § 370 AO 1977 sind dem Grunde nach auch bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten immer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Dies gilt auch für die Verletzung sog. erweiterter Mitwirkungspflichten bei internationalen Steuerpflichten nach § 90 Abs. 2 AO 1977.

Sachverhalt

I. Nachdem der Kläger und Revisionsbeklagte (Kl.), ein Notar, im 8. 1999 ein Auskunftsersuchen des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung erhalten hatte, erklärte er im Oktober 1999, dass er im Zusammenhang mit der Einführung der Zinsabschlagsteuer im Jahre 1993 Wertpapiere mit einem Nominalwert von etwa 450 000 DM im Ausland angelegt und es bisher unterlassen habe, die daraus resultierenden Zinserträge zu versteuern. Die Steuererklärung für 1992 reichte der Kl. 1994 und die Steuererklärung für 1991 im Jahre 1993 beim Beklagten und Revisionskläger (FA) ein. Zum Nachweis für seine Auslandsanlagen überreichte der Kl. ein Schreiben der X-Bank (Schweiz) vom 30. 11. 1999, aus dem sich folgende Vermögensentwicklung ergibt:

31. 12. 1994 580 983 DM
31. 12. 1995 809 533 DM
31. 12. 1996 872 570 DM
31. 12. 1997 899 398 DM
31. 12. 1998 883 114 DM

In diesem Schreiben heißt es, dass für das Jahr 1994 keine Erträgnisaufstellung erstellt worden sei, da die Kontoverbindung erst am 21. 7. 1994 erfolgt und in der Zwischenzeit weder Erträge noch Gebühren angefallen seien. Ferner überreichte der Kl. Erträgnis- und Zinsaufstellungen für die Zeit von 1992 bis 1994 der Z-Bank Luxemburg. Aus der Erträgnisaufstellung für 1992 ergibt sich ein Wertpapierbestand von 39 000 DM, aus der Erträgnisaufstellung für 1993 ergeben sich festverzinsliche Wertpapiere im Wert von 728 000 DM und eine Reihe inländischer Investmentzertifikate. Auf Anfrage der Steuerfahndung trug der Prozessbevollmächtigte des Kl. vor, dass dem Kl. aus dem Verkauf eines ererbten Hauses am 5. 11. 1993 ein Betrag von 300 000 DM zugeflossen sei, der nach Erinnerung des Kl. angelegt worden sei. Später teilte der Kl. der Steuerfahndung mit, dass er am 3. 8. 1992 einen Kaufpreis aus dem Verkauf eines Reihenhauses i. H. von 299 242,64 DM erhalten und sein Privatkonto bei der F-Bank damals 369 171,73 DM betragen habe. Zum Beweis für diese Behauptung reichte der Kl. einen Kontoauszug der F-Bank vom 4. 8. 1992 und eine Bankanweisung ein.

Die Steuerfahndung kam zu dem Ergebnis, dass für die Schätzung der Einkünfte aus Kapitalvermögen des Kl. von einem Anfangsvermögen zum 1. 1. 1987 i. H. von 247 954 DM auszugehen sei, das sich jährlich um einen Ansparbetrag i. H. von 30 000 DM und die Wiederanlage der Zinsen erhöht habe. Das FA erließ daraufhin am 27. 4. 2001 gemäß § 173 Abs.  1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für 1987 bis 1992.

Mit Einspruchsentscheidung vom 15. 4. 2002 wies das FA den hiergegen eingelegten Einspruch des Kl. als unbegründet zurück. Die Höhe des zum 31. 12. 1992 vorhandenen und bis zur Selbstanzeige verschwiegenen Kapitals lasse den Rückschluss zu, dass dieser Betrag über viele Jahre hinweg neben dem bisher schon erklärten Vermögenszuwachs angespart worden sei. Es erscheine angemessen, von einer Ansparrate von 30 000 DM jährlich und einem Zinssatz von 7,5 v. H. auszugehen.

Mit der hiergegen gerichteten Klage machte der Kl. geltend, dass er für die Streitjahre 1987 bis 1992 zutreffende Steuererklärungen abgegeben habe, in denen insbesondere auch die Zinseinkünfte zutreffend erklärt worden seien. Nachdem der Kl. gemäß § 79b Abs. 2 FGO aufgefordert worden war, nachzuweisen, dass die Geldanlage in Luxemburg aus Guthaben bei der F-Bank und aus Einkünften aus Notartätigkeit des Jahres 1992 erfolgt sei, legte er eine Entwicklung der Kapital- und Finanzkonten seines Notariats für 1992 vor, aus der sich ergibt, dass er in 1992 1 117 881 DM entnommen hat. Außerdem legte er eine handschriftliche Aufzeichnung über Entnahmen vor, aus der folgt, dass die letzte Entnahme des Jahres 1992 378 639 DM betragen habe. Aus dieser letzten Entnahme und dem bereits zuvor nachgewiesenen Kontokorrentguthaben habe er die Geldanlage in Luxemburg Ende 1992 getätigt.

Das FG Düsseldorf gab der Klage mit seinem in BeckRS 2004, 26016982, EFG 2005, 246 veröffentlichten Urteil vom 4. 11. 2004, 11 K 2702/02 E statt.

Mit seiner Revision rügt das FA, das FG habe die Anforderungen an das Beweismaß für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerhinterziehung überspannt. Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils abzuweisen. Der Kl. beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

[...]

BFH, 07.11.2006, VIII R 81/04

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