NV: Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Schätzungsbefugnis auch bei einem unverschuldeten Verlust von Buchführungsunterlagen bzw. Aufzeichnungen gegeben.
Tatbestand
1 Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger war in den Streitjahren Arbeitnehmer; die Klägerin erzielte seit 1994 Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einem Einzelhandel mit Gemischtwaren, Haushaltsartikeln, Geschenkartikeln u.a. Zum 1. Juli 2000 erweiterte sie ihr Geschäftsfeld auf den Handel mit Waffen, Munition und Jagdausrüstungen. Sie ermittelte ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung; die Erlöse wurden im Wesentlichen in bar vereinnahmt. Von 1994 bis 2005 erklärte sie, mit Ausnahme des Jahres 1995, stets Verluste, teils in erheblicher Höhe. Die sich aus ihren Gewinnermittlungen ergebenden Rohgewinnaufschlagsätze lagen in den Streitjahren 2001 bis 2005 zwischen 11,4 % und 3,9 %.
2 Am 2. Juli 2007 begann der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) mit einer Außenprüfung bei der Klägerin. Diese konnte weder Kassenbücher noch Kassenberichte, Registrierkassenstreifen oder andere Grundaufzeichnungen über die Tageseinnahmen vorlegen. Der Prüfer stellte ferner fest, dass die Klägerin ihre Tageseinnahmen zunächst für einen Zeitraum von bis zu drei Wochen in einer Geldkassette aufbewahrt und erst im Zeitpunkt der anschließenden Einzahlung auf das betriebliche Bankkonto als Betriebseinnahmen erfasst hatte. Nach den Darstellungen im, vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen, Betriebsprüfungsbericht vom 30. Juni 2009 enthielten die Gewinnermittlungen zahlreiche sachliche Mängel. So seien Betriebseinnahmen als Ausgaben erfasst worden; Betriebsausgaben seien zweifach gewinnmindernd aufgezeichnet worden; eine Vielzahl einzelner Betriebseinnahmen sei gar nicht aufgezeichnet worden; Darlehenstilgungen seien als Betriebsausgaben behandelt worden; für mehrere Wochen seien weder die laufenden Einnahmen noch die laufenden Ausgaben aufgezeichnet worden; aus zahlreichen Belegen sei trotz fehlenden Umsatzsteuerausweises der Vorsteuerabzug vorgenommen worden. Auch eine Bargeldverkehrsrechnung für die Jahre 2004 und 2005 führe zu erheblichen Fehlbeträgen.
3 Der Prüfer korrigierte die aufgeführten sachlichen Mängel, behandelte eine Reihe von Bareinzahlungen auf das betriebliche Bankkonto, die die Klägerin als Einlage ansah, als Betriebseinnahmen, und erhöhte den Gewinn zusätzlich um einen Sicherheitszuschlag von 20.000 DM (2001) bzw. 10.000 EUR (2002 bis 2005). Danach ergaben sich Rohgewinnaufschlagsätze zwischen 23,8 % und 51,3 %. Das FA erließ entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide.
4 Im Einspruchsverfahren behaupteten die Kläger, die Registrierkassenstreifen seien am 29. September 2007 bei einem Hochwasser vernichtet worden. Die Bareinzahlungen würden aus Geldschenkungen der Mutter der Klägerin stammen.
5 Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus, eine Schätzungsbefugnis sei wegen der erheblichen Mängel bei der Aufzeichnung der Bareinnahmen gegeben. Das Vorbringen zu dem Hochwasserschaden ändere daran nichts. Der Höhe nach sei die Schätzung des FA eher zu gering ausgefallen. Die Spanne der Richtsätze für den Einzelhandel mit Haushaltswaren liege für die Streitjahre bei 52 bis 100 % (2001) bzw. 47 bis 113 % (2002 bis 2005); die Richtsätze für den Einzelhandel mit Geschenkartikeln seien noch höher. Bereits der Ansatz des mittleren Richtsatzes führe zu deutlich höheren Werten als sie das FA angesetzt habe. Die Kläger hätten trotz eines vorherigen Hinweises des Gerichts auf die beabsichtigte Richtsatzschätzung keine substantiierten Einwendungen erhoben.
6 Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen eines Verfahrensmangels.
7 Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
Entscheidungsgründe
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