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Kompensationsverbot im Steuerstrafrecht

Nach § 370 Abs. 4 S. 3 AO liegt eine Steuerverkürzung oder ein unberechtigter Steuervorteil auch dann vor, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können. Man spricht insoweit vom Kompensationsverbot.

„Andere Gründe“ sind Tatsachen, auf die sich der Täter im Strafverfahren beruft, obwohl er sie im Besteuerungsverfahren nicht vorgebracht hat, und die, hätte er sie im Besteuerungsverfahren dem Finanzamt gegenüber vorgetragen, eine Ermäßigung der Steuerschuld begründet hätte.[1]

Das Kompensationsverbot bei Steuerhinterziehung gilt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allerdings nicht, wenn die verschwiegenen steuererhöhenden Umstände in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit ebenfalls verschwiegenen steuermindernden Umständen stehen.[2] Beispiele zur diesbezüglichen Kasuistik können der nachfolgenden Übersicht entnommen werden[3]:

 

Unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang …
… vorhanden (Kompensationsverbot gilt nicht):

… nicht vorhanden (Kompensationsverbot gilt):

  • Gewerbesteuer[4]
  • Umsatzsteuer[5]
  • Vorsteuerbeträge, sofern Voraussetzungen des § 15 UStG erfüllt sind[6]
  • Verlustabzüge, die von Amts wegen berücksichtigt werden und zur Tatzeit bereits bestehen, z.B. Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG[7]
  • Aushilfslöhne und Schwarzlohnzahlungen[8]
  • Verlustabzüge, die nicht von Amts wegen berücksichtigt werden[9]
  • Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 EStG[10]
  • falls Steuerbefreiung ein weiteres verwaltungsrechtliches Prüfungsverfahren voraussetzt[11]

 

Nachdem etwaige Ermäßigungsgründe jedenfalls im Rahmen der Strafzumessungskriterien zu berücksichtigen sind, ist die Frage, ob das Kompensationsverbot Anwendung findet oder nicht, in der Praxis für die Fragen relevant, ob eine Steuerhinterziehung in großem Ausmaß als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall gem. § 370 Abs. 3 Nr. 2 AO gegeben und ob deswegen die verlängerte Frist für die Strafverfolgungsverjährung nach § 376 Abs. 1 AO anwendbar ist.


[1]    Vgl. BGH, 28.1.1987, 3 StR 373/86, BGHSt 34, 271, 285 = wistra 1987, 139, 143.

[2]    Vgl. BGH, 13.9.2018, 1 StR 642/17, Rn. 16; BGH, 6.9.2011, 1 StR 633/10, Rn. 119; BGH, 5.2.2004, 5 StR 420/03.

[3]    Weitere Beispiele finden sich bei MüKoStGB, Schmitz / Wulf, AO § 370 Rn. 173 ff. und Joecks / Jäger / Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2022 *, § 370 Rn. 96 f.

[4]    Vgl. BGH, 17.4.2008, 5 StR 547/07; BGH, 15.11.1989, 3 StR 211/89, BeckRS 1989, 31106648 m.w.N.; BGH, 31.1.1978, 5 StR 458/77, BeckRS 1978, 244 m.w.N.; BGH 3.6.1954, 3 StR 302/53, BGHSt 7, 336, 344 ff..

[5]    Siehe Fn. 4.

[6]    Vgl. BGH 13.9.2018, 1 StR 642/17, Rn. 21. Vgl. auch Klein, AO, 16. Aufl. 2022 *, § 370 Rn. 137.

[7]    Vgl. BGH, 2.11.2010, 1 StR 544/09, Rn. 93.

[8]    Vgl. BGH, 17.3.2005, 5 StR 461/04; BGH, 12.9.1990, 3 StR 188/90, BeckRS 1990, 31082373; BGH, 15.11.1989, 3 StR 211/89, BeckRS 1989, 31106648.

[9]    Vgl. BGH, 26.6.1984, 5 StR 322/84, BeckRS 1984, 05226.

[10]   Vgl. BGH, 25.4.2001, 5 StR 613/00, vgl. auch MüKoStGB, Schmitz / Wulf, 3. Aufl. 2019, AO § 370 Rn. 173 m.w.N.

[11]   Vgl. BGH, 5.2.2004, 5 StR 420/03.

[12]   Vgl. Klein, AO, 16. Aufl. 2022 *, § 370 Rn. 131.

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