Die Umsatzsteuer spielt im Steuerstrafrecht eine gewichtige Rolle. Dies hängt zunächst damit zusammen, dass durch den Vorsteuerabzug eine Steuerhinterziehung leicht möglich wird. So führt der Missbrauch des Vorsteuerabzugs nicht nur zu Steuerausfällen, sondern auch zu erheblichen Schäden durch unberechtigte Vorsteuererstattung. Insbesondere sogenannte Umsatzsteuerkarusselle und Kettenbetrügereien nutzen die Umsatzsteuer zur Steuerhinterziehung aus.
Übersicht zur Umsatzsteuer
Von der Umsatzsteuer werden die in § 1 Umsatzsteuergestez (UStG) genannten steuerbaren Umsätze erfasst. Der Regelsteuersatz beträgt dabei 19 %, für einige Ausnahmen lediglich 7 %. Damit tatsächlich nur der Endverbraucher belastet wird, darf der Unternehmer nach den §§ 13, 14 UStG die Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuern von der von ihm abzuführenden Umsatzsteuer auf seine Ausgangsumsätze geltend machen. Sofern die Eingangsumsätze höher sind als die Ausgangsumsätze, kann dies auch zu einer Vorsteuervergütung nach § 37 Abs. 2 AO führen, was ggf. zum Missbrauch einlädt.
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Umsatzsteuerhinterziehung
Varianten der Umsatzsteuerhinterziehung
Es sind grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten der Umsatzsteuerhinterziehung denkbar. So kann eine Steuerhinterziehung durch die Abgabe einer unrichtigen
- Umsatzsteuervoranmeldung oder
- Umsatzsteuerjahreserklärung
begangen werden. In beiden Varianten kann die Hinterziehung entweder durch
- zu gering angegebene Umsätze oder
- zu hoch aufgeführte Vorsteuerbeträge
verwirklicht werden. Wie auch bei der Hinterziehung anderer Steuern ist eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen möglich, indem entweder gar keine Voranmeldung oder aber keine Jahreserklärung abgeben wurde.
Eine in der Praxis auch oft vorkommende Form der Umsatzsteuerhinterziehung ist die Geltendmachung von Vorsteuern aus Scheinrechnungen. Bereits das Erstellen einer solchen Rechnung kann strafbar sein. Zum einen kann es eine Urkundenfälschung im Sinne des § 267 StGB darstellen oder zumindest eine Ordnungswidrigkeit im Sinne der Steuergefährdung gemäß § 379 AO. Zur Steuerhinterziehung kommt es erst, wenn mit der Scheinrechung die Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht wird.
Die umsatzsteuerrechtlichen Pflichten müssen mit hoher Sorgfalt berücksichtigt werden. Denn sollte sich der Unternehmer mit der Umsatzsteuervoranmeldung für einen Kalendermonat im Verzug befinden, liegt streng genommen bereits am 11. Tag des Kalendermonats eine tatbestandsmäßige Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO vor (Flore/Tsambikakis § 370 AO, Rn. 303 ff.).
Umsatzsteuerhinterziehung und Kompensationsverbot
Im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer kann auch der Fall auftreten, dass eine Steuerhinterziehung vorliegt ohne dass der Steuerpflichtige gegenüber dem Fiskus noch Steuerschulden hat.
Ein Beispiel: Frau Müller hat gegenüber dem Finanzamt 1.000 EUR Umsatzsteuer nicht angezeigt, gleichzeitig steht ihr jedoch ein Vorsteuerbetrag in Höhe von 3.000 EUR gegenüber dem Finanzamt zu, den sie jedoch ebenfalls nicht dem Finanzamt anzeigt.
In unserem Beispielfall stünde Frau Müller eigentlich ein Erstattungsanspruch in Höhe von 2.000 EUR gegenüber dem Finanzamt zu. Sie bekäme also noch Geld vom Fiskus. Nach der Rechtsprechung hat Frau Müller gleichwohl eine Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO begangen, denn es darf grundsätzlich keine Saldierung zwischen einzelnen Steuerposten stattfinden. Bei der Umsatzsteuer ist nämlich nicht relevant, ob der Steuerpflichtige dem Staat Geld schuldet, sondern ob man dem Finanzamt vollständige und wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Hier hat Frau Müller dem Finanzamt einen Steuerposten über 1.000 EUR vorenthalten. Dass ihr 3.000 EUR im Wege der Vorsteuer zustünden ist unerheblich, dies ergibt sich auch aus dem Kompensationsverbot nach § 310 Abs. 4 S. 3 AO, eine zu niedrig angesetzte Vorsteuer kann eine zu niedrig erklärte Umsatzsteuer nicht ausgleichen (vgl auch BGH v. 8.1.2008, 5 StR 582/07; BGH v. 19.7.2007, 5 StR 251/07).
Die Selbstanzeige im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer
Auch bei der Umsatzsteuerhinterziehung besteht die Möglichkeit einer Rückkehr in die Straffreiheit. Soweit alle Voraussetzungen der Selbstanzeige erfüllt sind, stellt ein Nachreichen der verspäteten Umsatzsteuervoranmeldung eine strafbefreiende Selbstanzeige dar (Kohlmann/Schauf § 370 AO, Rn. 1358.1).
Das Gleiche gilt, sollte der Unternehmer merken dass seine Umsatzsteuervoranmeldung fehlerhaft oder unvollständig war. Hier wirkt die Korrektur der Voranmeldung wie eine strafbefreiende Selbstanzeige, soweit selbstverständlich auch die Voraussetzungen nach § 371 AO erfüllt sind. Die Rechtsprechung hat die Möglichkeit der Teilselbstanzeige verneint (vgl. BGH v. 20.5.2010 - 1 StR 577/09), was im Ergebnis bedeutet, dass eine Selbstanzeige in allen Belangen fehlerfrei sein muss. Dies spielt eine besondere Rolle sollte nach einer verspäteten Vorsteueranzeige die Angaben bzgl. der Umsteuern berichtigt werden. Stellt sich nämlich im Nachhinein heraus, dass die Angaben fehlerhaft sind, ist die Selbstanzeige wirkungslos auch wenn den Steuerpflichtigen kein Verschulden hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit der Angaben trifft.
Die Verwaltung der Finanzämter geht im Moment auch so weit, dass eine Selbstanzeige nach der Selbstanzeige nicht möglich ist. Soll heißen: Sollte der Steuerpflichtige selbst merken, dass seine ersten Angaben fehlerhaft sind, können diese Angaben nicht mehr mit einer zweiten Selbstanzeige korrigiert werden, weil sowohl die erste Selbstanzeige als auch die zweite Selbstanzeige als fehlerhaft angesehen werden und somit wirkungslos sind. Der Steuerpflichtige hat in soweit nur einen Versuch!