Der Beginn der Verjährungsfrist bei einer Steuerhinterziehung oder einem anderen Steuerdelikt ist von zentraler Bedeutung für die korrekte Berechnung der Verjährung insgesamt. Nur wenn der exakte Verjährungsbeginn feststeht, kann auch das genaue Ende der Verjährungsfrist bzw. die Verjährung der Steuerhinterziehung als solcher berechnet werden. Der Beginn der Verjährung ist individuell zu ermitteln. Er hängt von der Art der Steuer (Veranlagungssteuer oder Fälligkeitssteuer) und der konkreten Begehungsform der Tat (Falscherklärung oder Nichterklärung bzw. aktives Tun oder passives Unterlassen, alternativ auch Schätzung) ab. Maßstab ist § 78a Satz 1 Strafgesetzbuch (StGB). Die Verjährung beginnt demnach mit der Beendigung der Tat. Wann eine Tatbeendigung vorliegt, variiert teilweise im Detail erheblich.
Grundlagen und Abgrenzung
Die Strafverfolgungsverjährung bei der Steuerhinterziehung gem. § 370 AO beginnt mit der Beendigung der Steuerhinterziehung. Der genaue Zeitpunkt ist abhängig von der betroffenen Steuerart (Veranlagungssteuern, z. B. Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbesteuer oder Fälligkeitssteuern, z. B. Umsatzsteuer oder Lohnsteuer) und der Begehungsart (Falscherklärung, Nichterklärung oder Schätzung). Die Einzelheiten werden unten dargestellt.
Bei anderen Steuerstraftaten gelten teilweise spezielle Regeln für den Beginn der Verjährungsfrist. Bei Delikten, welche eine besondere Absicht erfordern wie etwa der Steuerhehlerei (§ 374 AO), der Steuerzeichenfälschung oder der Begünstigung (§ 257 StGB), beginnt die Verjährung erst dann, wenn die jeweilige Zielabsicht verwirklicht wurde oder deren Umsetzung unmöglich geworden ist. Beim Bannbruch, bei dem Waren entgegen bestehender Einfuhrverbote verbracht werden knüpft die Verjährung an das Eintreffen der Ware am endgültigen Bestimmungsort an (str.). Bei der gewerbs- oder bandenmäßigen Schädigung des Umsatzsteueraufkommens nach § 26a UStG beginnt die Verjährung erst mit dem Eintritt der Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) oder wenn feststeht, dass der Schuldner nicht mehr leisten kann, etwa durch Insolvenz oder Liquidation.
Abzugrenzen ist die Strafverfolgungsverjährung von der Festsetzungsverjährung. Diese beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Falls eine Steuererklärung eingereicht werden muss, beginnt die Festsetzungsverjährung mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO. Falls eine erforderliche Steuererklärung nicht abgegeben wird, beginnt die Festsetzungsfrist spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, indem die Steuer entstanden ist.
Beginn bei Falscherklärung
Veranlagungssteuer
Im Fall einer unzutreffenden Erklärung, beispielsweise durch eine zu niedrige Angabe von Einkünften im Rahmen der Einkommensteuer, ist bei Veranlagungssteuern die Bekanntgabe des fehlerhaften Steuerbescheids maßgeblich. Der Bundesgerichtshof (BGH) nimmt hier an, dass die Bekanntgabe grundsätzlich am dritten, ab dem 1. Januar 2025 am vierten Tag nach der Aufgabe zur Post (§ 122 Abs. 2 AO n.F.) erfolgt.
Wenn eine Steuererstattung erschlichen wurde, beginnt die Verjährung bereits mit der Auszahlung des Erstattungsbetrags.
Fälligkeitssteuer
Für Fälligkeitssteuern kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die fehlerhafte Steueranmeldung beim Finanzamt eingegangen ist. Gemäß § 168 S. 1 AO gilt diese Anmeldung als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Wurde eine Erstattung beantragt, ist entscheidend, wann das Finanzamt dieser konkludent durch Zahlung zugestimmt hat (§ 168 Sätze 2 und 3 AO).
Beginn bei Nichterklärung
Regelmäßige Veranlagungssteuer
Wenn keine Steuererklärung eingereicht worden ist und kein Steuerbescheid existiert (Unterlassen), wird zur Ermittlung des Beginns der Strafverfolgungsverjährung auf einen fiktiven Verlauf abgestellt. Entscheidend dabei ist, wann ein Steuerbescheid bei fristgerechter Abgabe der Steuererklärung voraussichtlich erlassen worden wäre.
Der Beginn der Verjährung bei periodisch regelmäßig veranlagten Steuern (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer) richtet sich nach dem Zeitpunkt, zu dem das Finanzamt die Veranlagung normalerweise abgeschlossen hätte, also in der Regel zwischen dem 1. März und dem 31. Juli des zweiten Jahres nach dem Besteuerungszeitraum. Ein gewisser Spielraum bleibt hier dem Tatgericht, das sich an der üblichen Veranlagungsquote (ca. 95 %) orientieren kann.
Nicht regelmäßige Veranlagungssteuer
Bei nicht regelmäßig veranlagten Steuern wie der Erbschaftsteuer , Schenkungsteuer oder Grunderwerbsteuer ist die Lage komplizierter. Zwar hatte der BGH im Jahr 2011 eine pauschale einmonatige Frist ins Spiel gebracht, sich später jedoch nicht weiter darauf gestützt (vgl. BGH, 25.07.2011, 1 StR 631/10, BGHSt 56, 298, 312 f.). Der Bundesfinanzhof (BFH) favorisiert hingegen eine differenzierte Betrachtung: Es sei zunächst die Anzeigefrist (meist drei Monate), dann eine Erklärungsfrist (ein Monat) und schließlich die durchschnittliche Bearbeitungsdauer durch das zuständige Finanzamt zu berücksichtigen. Insoweit wäre von einem Fristbeginn von mindestens 4 Monaten nach dem jeweiligen steuerauslösenden Ereignis (z.B. Erbfall oder Schenkung) auszugehen.
Fälligkeitssteuer
Für Fälligkeitssteuern beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen oder verlängerten Frist zur Abgabe der Steueranmeldung, wie sie sich insbesondere aus § 150 Abs. 1 Satz 3 AO ergibt.
Beginn bei Schätzung
Sofern das Finanzamt vorzeitig eine Schätzung nach § 162 AO vornimmt, ist für den Beginn der Verjährungsfrist die Bekanntgabe des Schätzungsbescheids maßgeblich.
Beachte: Ist der - rechtzeitige - Schätzbescheid zufällig korrekt oder zu hoch, liegt möglicherweise nur ein Versuch der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 2 AO) vor.