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Unterbrechung und Ruhen der Verjährung bei Steuerhinterziehung

Verjährung UnterbrechungDie Vorschriften zur Unterbrechung und zum Ruhen der Verjährung bei Steuerhinterziehung sowie zur zur Ablaufhemmung eröffnen den Strafverfolgungsbehörden wie z.B. der Steuerfahndung und den Gerichten weitreichende Möglichkeiten zur faktischen Verlängerung der Verjährungsfristen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Unterbrechung des Verjährungsablaufs, da sie den Fristlauf nicht nur pausiert, sondern vollständig neu starten lässt. Vor allem bei besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung kann eine Strafverfolgung auch noch Jahrzehnte nach der Tat möglich sein. Steuerpflichtige und Verteidiger sollten daher die genauen Verjährungsmechanismen kennen, um eine optimale Verteidigungsstrategie entwickeln und umsetzen zu können.

Unterbrechung der Verjährung

Die Unterbrechung der Verjährung ist in § 78c Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Dort ist ein abschließender Katalog von Maßnahmen aufgelistet, bei deren Eintritt die Verjährungsfrist von Neuem beginnt. Insgesamt nennt § 78c StGB die folgenden Maßnahmen, welche zu einer Unterbrechung bzw. einem Neubeginn der Verjährung u.a. bei (einfacher) Steuerhinterziehung führen:

  1. die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,

  2. jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung,

  3. jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,

  4. jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,

  5. den Haftbefehl, den Unterbringungsbefehl, den Vorführungsbefehl und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,

  6. die Erhebung der öffentlichen Klage,

  7. die Eröffnung des Hauptverfahrens,

  8. jede Anberaumung einer Hauptverhandlung,

  9. den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung,

  10. die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,

  11. die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder

  12. jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen.

Der Neustart erfolgt bei jeder dieser Maßnahmen – etwa bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten, der Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder dem Erlass eines Durchsuchungs- oder Haftbefehls.

Nach § 78c Abs. 3 S. 1 StGB beginnt die Verjährungsfrist nach jeder Unterbrechung erneut, wird jedoch durch die sogenannte absolute Verjährung begrenzt. Diese tritt gemäß § 78c Abs. 3 S. 2 StGB spätestens mit dem doppelten Zeitraum der gesetzlichen Verjährungsfrist ein. Das bedeutet: Selbst bei mehrfacher Unterbrechung darf etwa eine regulär fünfjährige Verjährung nicht länger als zehn Jahre andauern, es sei denn, besondere Regelungen greifen (s.u.).

Sonderregelung zur Unterbrechung

Im Bereich der Steuerhinterziehung greift jedoch eine bedeutsame Ausnahme: § 376 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) dehnt seit dem 1. Juli 2020 die Grenze des Doppelten für sogenannte besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung aus § 370 Abs. 3 AO auf das Zweieinhalbfache der Regelverjährungsfrist aus. Da bei besonders schwerer Steuerhinterziehung seit Ende 2020 eine Verjährungsfrist von 15 Jahren gilt, führt diese Sonderregelung bei schwerer Steuerhinterziehung zu einer absoluten Verjährungsfrist von 37,5 Jahren.

Ruhen der Verjährung

Im Gegensatz zur Unterbrechung führt das Ruhen der Verjährung gemäß § 78b StGB nicht zu einem Neustart der Frist, sondern zu deren temporärem Stillstand. Die Zeit wird sozusagen “eingefroren” – ein Bild, das auch in § 209 BGB für die zivilrechtliche Verjährung Anwendung findet. Das Ruhen tritt beispielsweise ein, wenn wegen eines anhängigen Verfahrens ein gesetzliches Hindernis für die Fortsetzung besteht. In steuerstrafrechtlich relevanten Fällen kann dies insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Eröffnungsbeschluss des Landgerichts vorliegt, aber das Verfahren über längere Zeit nicht abgeschlossen wird.

Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang § 78b Abs. 4 StGB: Bei Steuerhinterziehung, die als besonders schwer eingestuft wird (§ 370 Abs. 3 AO), kann das Ruhen der Verjährung bis zu fünf Jahre dauern, sofern ein solcher Eröffnungsbeschluss vorliegt. Dies ermöglicht es den Strafverfolgungsbehörden, selbst in sehr alten Fällen noch wirksam tätig zu werden – ein Aspekt, der nicht selten verfassungsrechtlich diskutiert wird, da damit eine maximale Verfolgungsdauer von 42,5 Jahren (15 Jahre Grundverjährung * 2,5 + 5 Jahre Ruhen) realistisch ist.

Ablaufhemmung und Anlaufhemmung

Wichtig ist die Abgrenzung zur Ablaufhemmung der steuerlichen Festsetzungsfrist gemäß § 171 AO. Diese hemmt lediglich die Frist, hat jedoch keine Wirkung, wenn der Hemmungstatbestand vor Ablauf der Frist wieder entfällt. Sie ist somit schwächer als das Ruhen und deutlich schwächer als eine Unterbrechung im strafrechtlichen Sinn.

Auch bei der Festsetzungsverjährung kann es zu (teilweise deutlichen) Verlängerungen der Verjährungsfristen kommen. Maßgeblich dafür ist die sog. Anlaufhemmung. Diese bewirkt, dass der reguläre Fristablauf nicht eintritt, sondern die Festsetzungsfrist weiterläuft. Die Anlaufhemmung ist z.B. im Fall eines Einspruchs gegen einen Steuerbescheid 

 

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